Die Flexileine - Pros & Contras
Foto © Tanja Krämer
In letzter Zeit kam es in Kundengesprächen öfter dazu, dass ich die Vor- und Nachteile von Flexileinen sowie normalen Führleinen und Schleppleinen erklärt habe. Daher denke ich, dass es Zeit für einen Blog-Artikel zu diesem Thema ist. :-)
Pros UND Contras ...?, werden sich diejenigen, die mich kennen, jetzt sicherlich fragen. Ihr habt recht, aus meiner Sicht gibt es eigentlich nur Contras, aber dazu gleich mehr.
Beginnen wir mit dem einzigen Punkt, der vielleicht ein Vorteil ist:
Der Hund ist an der Flexileine abgesichert und kann dennoch laufen und sich Freiraum verschaffen. Man kann ihn jederzeit stoppen durch den Feststellknopf.
Zugegebenermaßen kann die Flexileine durchaus ein für den Halter relativ entspanntes Spazierengehen ermöglichen. Der Hund kann laufen, wie er möchte, und ist trotzdem abgesichert. Man braucht sich keine Arbeit mit Leinenführigkeitstraining machen, man braucht sich nicht mit Schleppleinenhändling auseinandersetzen, und Rückruftraining ist auch nicht mehr wirklich wichtig, da man im Notfall ja Zugriff auf den Hund hat, ihn stoppen und zu sich ranziehen kann. Außerdem hat man diesen Kasten in der Hand, wodurch die Gefahr des Fingerquetschens nicht besteht, wenn der Hund an der Leine zieht.
Schauen wir uns diese vermeintlichen Vorteile aber mal genauer an, wird schnell deutlich, dass es viel eher Nachteile sind.
Der Hund lernt, an der Leine zu ziehen.
Dein Hund lernt, an der Leine zu ziehen. Er bringt Zug auf, und die Leine wird länger und sein Bewegungsradius größer. Ziehen bringt ihn zum Erfolg. Deshalb hört er damit auch nicht auf, wenn die Flexi voll ausgefahren ist. Dazu kommt, dass die Flexileine immer mal wieder willkürlich vom Hundehalter gestoppt wird - für den Hund völlig überraschend und undurchschaubar und - falls die Flexi am Halsband befestigt ist - durchaus auch schmerzhaft oder zumindest unangenehm. Dein Hund nimmt die Flexileine nicht als klare Begrenzung wahr, er weiß nie, wie lang sie ist und wann sie gestoppt wird. Alles, was er lernt, ist: Ziehen lohnt sich. Ziehen verschafft Freiraum.
Wenn Du an anderer Stelle also gerne möchtest, dass dein Hund locker an der normalen Führleine geht, machst du dir das Leinenführigkeitstraining unnötig schwer. Einerseits lernt dein Hund an der Flexi "Ziehen lohnt sich", andererseits möchtest du dann doch, dass er gerne nahe bei dir an lockerer Leine geht. Logisch, dass dein Hund es auch an der Führleine erst einmal mit Ziehen und Zerren versuchen wird.
Man kann den Hund jederzeit stoppen. Aber ist das fair dem Hund gegenüber?
Wie bereits erwähnt - der Hund weiß nicht, wann er gestoppt wird. Das ist unfair ihm gegenüber. Plötzlich gibt es einen Ruck, er wird gestoppt oder sogar zum Menschen gezogen. Das ist unangenehm bis hin zu schmerzhaft.
Ein weiterer großer Nachteil bzw. eine Gefahr:
Die Flexileine kann üble Verletzungen verursachen.
Ein junger bzw. agiler Hund, der munter durch die Gegend hüpft, mal nach links, mal nach rechts, hat ganz schnell mal Menschenbeine oder einen anderen Hund umwickelt, was zu wirklich bösen Wunden führen kann. Fotos von Flexi-Schnittverletzungen erspare ich dir. Wenn du dir sowas ansehen möchtest - einfach mal "Flexileine Verletzungen" in die Suchmaschine deiner Wahl eingeben.
Foto © Tanja Krämer
Kommen wir zum nächsten Nachteil: Das Leinengehäuse. Sein Vorteil ist zwar, dass man sich die Finger nicht quetschen kann, wenn der Hund zieht bzw. ruckartig in die Leine springt, ABER:
Was, wenn einem das Leinengehäuse mal aus der Hand fällt?
Der Hund entdeckt z.B. eine rennende Katze, sprintet mit einem Satz los, und - schwupps! - das Ding fällt einem aus der Hand. Kann passieren. Jetzt rennt der Hund und zieht dieses scheppernde Teil hinter sich her. Einen sensiblen oder geräuschempfindlichen Hund kann dies ängstigen oder gar in Panik versetzen. Er versucht zu fliehen, entkommt der Quelle seiner Angst aber nicht. Schrecklich!
Fassen wir also zusammen:
Wenn du die Flexileine einfach so verwendest, hat sie imho nur Nachteile:
• Es findet keinerlei Kommunikation zwischen dir und deinem Hund statt. Er braucht nicht auf dich achten, sondern bekommt durch Ziehen an der Leine mehr Freiraum.
• Das unangekündigte Stoppen ist unfair bis hin zu schmerzhaft für deinen Hund.
• Es kann zu Verletzungen kommen.
• Aus der Hand gefallen, kann das Leinengehäuse deinen Hund sehr ängstigen.
Ach, übrigens:
So wirklich abgesichert ist der Hund gar nicht.
Verlasse dich nie auf ein Hilfsmittel allein. Eine Leine (egal, welche) kann dir aus der Hand fallen, sie kann reißen, der Karabiner kann kaputt gehen, der Hund kann aus dem Halsband oder dem Geschirr schlüpfen usw. Deshalb verlasse dich so wenig wie möglich auf deine Hilfsmittel und investiere maximal in Beziehung, Erziehung und Training mit deinem Hund. Denn das wird es sein, was deinen Hund stoppt bzw. zu dir zurücklaufen lässt, wenn ein Hilfsmittel mal versagt. Bzw. braucht ein gut erzogener und trainierter Hund über weite Strecken keine Leine.
Ich habe noch nie, wirklich noch nie, einen Hundehalter gesehen, der mit der Flexileine vernünftig umgeht und der einen erzogenen Hund an der Leine führt (was nicht heißt, dass es keine solchen Hundehalter/Hunde gibt - vielleicht gibt es ja irgendwo welche). Mehrheitlich sind es leider Halter, die sich durch die Flexileine in trügerischer Sicherheit wähnen, glauben, sie tun ihrem Hund was Gutes (er kann ja laufen) und Erziehung und Training dann doch eher überflüssig finden (der Hund kann ja laufen, und man hält ihn halt fest).
Jetzt habe ich viel über die aus meiner Sicht deutlich überwiegenden Nachteile der Flexileine geschrieben. Schauen wir uns zum Abschluss noch an, ob folgender Satz auch auf die Flexi zutrifft:
Ein Hilfsmittel ist nur so gut oder so schlecht wie seine Handhabung.
Stimmt eigentlich. Wie würde denn ein vernünftiger Umgang mit dieser Leine aussehen?
Möglich ist das durchaus. Ein einziges Mal in meiner bisherigen Tätigkeit als Trainerin habe ich dies einer Hundehalterin gezeigt. Es war eine ältere Dame, die ihren großen Hund kaum halten konnte. Der Hund rannte manchmal unvermittelt und mit aller Kraft los. In ihrer Verzweiflung führte die Halterin den Hund mit Flexileine am Kettenwürger, als ich sie kennenlernte. Von einer normalen Leine sowie einer Schleppleine wollte sie partout nichts wissen. Um die Situation also für den Hund zu verbessern, einigten wir uns auf einen Kompromiss:
• Leinenführungstraining an einem normalen, breiten Halsband mit festgestellter, locker durchhängender Flexileine
• Auslauf an der Flexileine ausschließlich am Brustgeschirr sowie mit Ankündigung ("los")
• Ankündigung des Stoppens der Flexileine durch ein Signal ("stopp"), um dem Hund die Chance zu geben, sich zu verlangsamen/zum Stehen zu kommen statt einfach von der Flexi unvermittelt gestoppt zu werden
Es geht, ist aber vom Händling her schwieriger als normale Leine plus Schlepp sowie gutes Rückruftraining - in diesem Falle war es aber ein notwendiger Kompromiss.
Die Gefahren des Verletzens sowie des hinterherscheppernden Gehäuses, wenn die Leine doch mal aus der Hand fällt, bleiben jedoch auch bei gutem Händling bestehen.
Daher empfehle ich dir: Nimm eine ganz normale Führleine und trainiere aufmerksames Gehen an lockerer Leine. Bring deinem Hund außerdem bei, sich auch im Freilauf in dir zu orientieren und auf Ruf zuverlässig zu dir zu kommen. So lange dies nicht wirklich sicher etabliert ist oder in gewissen Gebieten (jagdliche Motivation, Brut- und Setzzeit etc.) schwierig ist, nimm deinen Hund an die Schleppleine, sodass er einen gewissen Bewegungsspielraum hat, aber dennoch abgesichert ist. Lass dich von dem/der Hundetrainer/in deines Vertrauens beraten, welche Stärke, Länge und welches Material die Schleppleine für deinen Hund am besten haben sollte. Und lass dir zeigen, wie du die Schlepp als zielführendes Arbeitsmittel einsetzen kannst.
Hast Du noch Fragen oder Anmerkungen zur Flexileine sowie den anderen Leinenarten? Dann schreib mir gerne.
Viel Spaß beim Training!
Eure Natalie