Halsband oder Geschirr oder beides und wenn ja, warum? ;-)
Richtig trainiert, kommt niemals Zug auf die Leine und somit auch nicht aufs Halsband. Der Hund lernt erst gar nicht, dass es die Option, an der Leine zu ziehen, überhaupt gibt.
Eigentlich wollte ich nie den 3785. Text über die leidige Frage "Halsband oder Geschirr - was ist besser?" schreiben. Aber erstens werde ich immer wieder von Neukunden danach gefragt und zweitens nerven mich die vielen pauschalen Texte, die Halsbänder verfluchen und Geschirre glorifizieren (oder wahlweise auch andersrum). Also schreibe ich doch einen Text darüber (der logischerweise lediglich meine Meinung und Handhabung darstellt).
Es gibt nicht die eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, ob es besser ist, seinen Hund am Geschirr oder am Halsband zu führen. Zuerst muss die Frage gestellt werden, WIE der Mensch seinen Hund führen möchte und wie wichtig es ihm ist, dass sein Hund an lockerer Leine geht. Zweitens muss die Frage gestellt werden, um was für einen Hund es sich überhaupt handelt - ist es noch ein Welpe, ist es ein ruhiger, besonnener Hund oder einer mit überschäumendem Temperament oder schlechter Impulskontrolle? Oder ist es vielleicht ein Hund, der bereits seit Jahren gelernt hat, seinen Menschen hinter sich her zu schleifen? Die Beantwortung dieser Fragen entscheidet darüber, ob ich nur mit Brustgeschirr arbeite oder mit Brustgeschirr und Halsband oder sogar nur mit Halsband und ob und wie ich das Leinenführigkeitstraining aufbaue.
Manche Hundehalter sind einfach faul. Sie haben keine Lust dazu, Zeit und Arbeit in ein gutes Leinenführigkeitstraining zu investieren - aus welchen Gründen auch immer. Sei es, weil der Hund ein Chihuahua ist und kein Leidensdruck durch das ziehende Hundchen besteht, oder sei es, weil der Hund sicher abrufbar ist und so gut wie nie an der Leine laufen braucht. Oder weil der Hundehalter eben einfach faul ist. ;-) Klar wäre meiner Meinung nach Leinenführigkeitstraining für jedes Mensch-Hund-Team wichtig, aber man kann niemanden dazu zwingen. Deshalb empfehle ich Menschen, die keinen Bock auf Leinenführigkeitstraining haben, ihren Hund grundsätzlich und ausschließlich am Brustgeschirr zu führen. Denn ein untrainierter Hund (und auch ein untrainierter Mensch) wird gelegentlich Zug aufbringen, und dieser Zug landet besser auf einem gut sitzenden Brustgeschirr als am empfindlichen Halsbereich.
Ebenso empfehle ich grundsätzlich ein Brustgeschirr bei Welpen. Aus demselben Grund wie eben - es wird unweigerlich mal Zug auf die Leine kommen, deshalb besser Brustgeschirr. Erfahrungsgemäß dauert es ein Weilchen, bis ich mit Welpenhaltern zum Thema Leinenführigkeit komme, da mir einige andere Basics erstmal wichtiger sind, daher bitte zunächst ein Brustgeschirr.
Wichtig ist, dass der Hund ein wirklich gut sitzendes Brustgeschirr trägt. Die Schultern sollten frei sein und nicht durch einen quer verlaufenden Gurt wie beispielsweise bei einem K9-Geschirr oder Norwegergeschirr blockiert werden. Desweiteren sollte das Geschirr groß genug sein, sodass der Brustgurt nicht direkt hinter den Vorderbeinen sitzt und in den Achseln scheuert.
Beispiel für ein gut sitzendes, bequem gepolstertes Brustgeschirr.
Wenn es nun zum Thema Leinenführigkeit kommt und der Hundehalter motiviert ist, seinem Hund das Gehen an lockerer Leine beizubringen, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Hund zu führen.
Dazu erstmal kurz etwas Grundlegendes darüber, wie ich Leinenführigkeit trainiere:
Die Leine dient NICHT dazu, auf den Hund einzuwirken - der Hund wird weder an der Leine von A nach B gezogen noch wird an ihm rumgeruckt. Beim Leinenführigkeitstraining geht es darum, dass der Mensch lernt, seinen Hund zu führen - so dass der Hund ihm gerne und freudig folgt und es mag, nahe bei seinem Menschen zu sein. Ob da eine Leine dran ist oder nicht und ob diese am Halsband oder Geschirr befestigt ist, ist eigentlich völlig nebensächlich.
Ich achte also sehr stark darauf, dass weder der Hund noch der Mensch an der Leine zieht. Oft lernen die Hunde das schneller als die Menschen. ;-)
Wenn ich das richtige Umfeld für das Training schaffe und das Training so aufbaue, dass der Hund Erfolg haben kann beim Training (d.h. die Leine ist und bleibt locker und kommt erst gar nicht auf Spannung), brauche ich überhaupt keine Sorge vor Schäden an der HWS durchs Halsband haben. Ich arbeite sehr gerne mit Halsband und Brustgeschirr im Leinenführigkeitstraining. Am Halsband lernt der Hund Leinenführung, am Geschirr hat er Freizeit (und darf auch ziehen). So ist es möglich, das Training sauber aufzubauen. So braucht der Hund keine Fehler machen, sondern stellt die Verknüpfung "Halsband = lockere Leine und Aufmerksamkeit dem Menschen gegenüber" her.
Natürlich ist es auch möglich, nur mit einem Geschirr zu trainieren - dann wird die Leine eben für die Leinenführung am vorderen Brustring befestigt und für den Freizeitmodus am Ring auf dem Rücken. Oder aber die Leine wird immer am Rückenring befestigt, und ein verbales Start- sowie Endsignal kündigt dem Hund an, ob er die Leine locker lassen soll oder ob er Freizeit hat. Alles eine Frage des richtigen, konsequenten Trainings sowie auch eine Frage des Typs Hund und Mensch sowie deren Vorgeschichte. Es gibt viele verschiedene Varianten, das Training aufzubauen und Halsband und/oder Geschirr dabei einzusetzen. Dabei ist es aber nie das Halsband oder das Geschirr, was gut, besser oder schlecht ist, sondern deren Handhabung. ;-)
Fotos © Susanne Klein