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Bällchen werfen? Nein danke!


Bällchenwerfen gehört zu den beliebtesten Spielen, die Hundehalter spielen. Oft sind sie dabei in dem Glauben, sie würden ihren Hunden damit etwas Gutes tun. "Er hat so viel Spaß daran - er kann gar nicht genug davon kriegen." oder "Aber ich muss meinen Hund doch auslasten?" sind Sätze, die ich oft zu hören bekomme.

Ich möchte Euch in diesem Artikel einen Überblick über die zahlreichen Gründe geben, warum Bällchenwerfen ungesund für Körper und Geist sowie kontraproduktiv für Training, Erziehung und die Beziehung zwischen Hund und Mensch ist.

Bällchen werfen hat mit Auslastung nichts zu tun - im Gegenteil. Der Hund rennt einem fliegenden Objekt hinterher. Anfangs wird er noch nach einigen Wiederholungen "müde" sein. Je öfter du den Ball aber wirfst, desto fitter wird dein Hund - und zwar rein körperlich. Fünf mal werfen reicht bald nicht mehr aus. Dann wirfst du 15 oder 20 mal, bevor dein Hund zufrieden ist. Und irgendwann muss der Ballwurfarm her, damit der Ball weiter fliegt. Manche Hundehalter stellen sich eine halbe Stunde am Stück auf die Wiese mit dem Wurfarm und lassen ihren Hund wieder und wieder stupide hinterm Ball her hetzen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem der Hund gar nicht mehr "kaputt" zu kriegen ist, egal wie oft du wirfst.

Du lastest damit deinen Hund nicht aus, sondern trainierst seine Kondition, und das auf sehr ungesunde Weise. Dein Hund wiederholt immer wieder dasselbe einseitige Bewegungsmuster. Er startet und stoppt sehr abrupt. Dies schadet (insbesondere bei jungen Hunden, die noch im Wachstum sind) seinen Gelenken. Deformationen können die Folge sein. Auch bei erwachsenen Hunden kann es zu Kreuzbandrissen und in der Folge zu Schonhaltung und Arthrose kommen.

Geistig wird dein Hund dabei überhaupt nicht gefordert. Hinter dem Ball herrennen, das kann "jeder Depp". Es ist ein stereotypes Verhalten. Ein sich vom Hund weg bewegender Reiz ist ein genetisch fixierter Auslöser für Jagdverhalten. Dieser wird gefestigt, und oft ist ein erhöhtes Appetenzverhalten die Folge. Das heißt, der Hund fängt "plötzlich" an, alles zu jagen, was sich bewegt, und ist dabei nicht kontrollierbar.

Je nach Rasse tritt dieses Phänomen unterschiedlich stark auf. Manche Rassen verallgemeinern das Jagen von sich schnell bewegenden Objekten. Andere wiederum fixieren sich extrem auf IHREN BALL. Ihr Leben dreht sich nur noch um den BALL. Leckerchen sind uninteressant, Jogger, andere Hunde, Rehe, Hasen - egal. Supercool, denkst du jetzt vielleicht. Solch ein Hund geht keine Hasen jagen, Jogger interessieren ihn nicht, er pöbelt keine Artgenossen an, sondern himmelt nur Frauchens Jackentasche an, in der sich der BALL befindet. (Nicht selten sieht man solche Hunde übrigens im Hundesport - sie werden auf diese Art "motiviert" ... ein trauriges Bild ...) Diese Hunde können kaum zur Ruhe kommen. Sie nehmen nichts anderes mehr wahr, sondern stehen permanent unter dem Einfluss von Stresshormonen. Die Umwelt wird nicht mehr wahrgenommen, Geräusche werden ausgeblendet, es kann zu ängstlichem oder aggressivem Verhalten kommen. Diese Hunde sind nicht mehr Herr ihrer Sinne, sie sind Junkies. Manche Rassen sind zudem dazu prädestiniert, eine Beuteaggression zu entwickeln, wenn sie gelernt haben, nur mit Objekten zu spielen. Hier sind besonders der DSH, der Malinois und bestimmte Terrierrassen zu nennen.

Es ist ein völlig unnatürliches Verhalten für einen Hund, einen Ball wichtiger zu nehmen als die wirklich wichtigen Dinge wie Futter, Sozialkontakte, seinen Menschen, Jagdbeute etc. Objektiv betrachtet ist ein Ball ja völlig wertlos für den Hund. Der Hund spielt nicht - der Mensch spielt. Der Hund ist süchtig.

Durch die einseitige Manipulation mit bewegungsorientierten "Spielen" wird der Organismus trainiert, in hohem Maße Glückshormone auszuschütten. Suchtverhalten entsteht. Und das bereits oft im Welpenalter.

Der extremste Fall, den ich je gesehen habe, war ein Border Collie-Mischling, der im jungen Alter mit Bällchenwerfen süchtig gemacht wurde. Seine Halterin hat es leider zu spät bemerkt. Sie hat dann sämtliche Bälle, Spielzeuge, Objekte aus seinem Leben verbannt, aber es war zu spät. Dieser Hund war so süchtig, dass er permanent auf der Suche nach ballähnlichen Objekten war, die er dann nicht nur seinem Frauchen, sondern auch anderen anwesenden Menschen brachte, vor die Füße legte, auf den Schoß, die Menschen anstupste, anglotzte, sein Repertoire an Tricks abspulte etc. .... bis sich irgendwer jeweils "erbarmte" und das Objekt warf. Und diese Objekte waren Blätter, Kieselsteine, Tannenzapfen, zur Not auch nur ausgerissene Grashalme - egal. Selbst wenn man den Hund (was die strikte Anweisung seiner Halterin war) komplett ignorierte, interpretierte er auch jede zufällige Bewegung des Menschen als "Startschuss" und jagte wie irre los. Um dann wieder mit irgendeinem Blättchen anzukommen. Dieser Hund konnte sich nicht mehr normal mit seiner Umwelt auseinandersetzen, er schnüffelte nicht, er interessierte sich nicht für Artgenossen, er stand unter permanentem Stress. Grausam.

Grundsätzlich solltest du dir die Frage stellen, warum du überhaupt die Wegbewegung von dir fördern möchtest? Eigentlich möchte man doch, dass der Hund bei einem bleibt, kontrollierbar, abrufbar und am Menschen orientiert ist. Auf der einen Seite trainierst Du (hoffentlich fleißig) den Rückruf, auf der anderen Seite wiederum sagst du deinem Hund "Hau ab, und hab' weit entfernt von mir Spaß mit einer Kugel aus Gummi". Du degradierst dich zu einer Ballwurfmaschine. Mit Beziehung, Erziehung und Auslastung hat das Ganze nichts zu tun.

Deshalb solltest du im Welpenalter das Hinterherlaufen hinter einem Bewegungsreiz keinesfalls fördern, sondern unterbrechen. Für manche Hunderassen ist es durchaus eine Form der Auslastung, etwas nicht zu jagen.

Heißt das jetzt, dass Du den Ball in die Tonne kloppen musst? Falls dein Hund bereits ein Balljunkie ist, dann ja. Dann muss er auf Entzug. Falls nicht, kannst du gerne weiterhin den Ball benutzen, aber auf eine Art, die deinen Hund wirklich auslastet, die seine Impulskontrolle steigert, die Beziehung zwischen euch beiden stärkt sowie ganz nebenbei auch den Grundgehorsam verbessert.

Es gibt unzählige Möglichkeiten, um einen Ball, einen Dummy, ein Spielzeug oder einen Futterbeutel sinnvoll einzusetzen. Der wichtigste Punkt dabei ist, dass dein Hund lernt abzuwarten. Hinter dem fliegenden Objekt herzuhetzen, ist tabu. Stattdessen muss er (z.B. im "sitz") warten, bis du ihm erlaubst, das Objekt zu holen. Dadurch verhinderst du das abrupte Starten und Stoppen sowie den Reiz, hinter einem sich bewegenden Objekt herzurennen. Denn du erlaubst deinem Hund erst zu starten, wenn sich das Objekt nicht mehr bewegt. Entweder wirfst du es, und dein Hund darf dann erst auf Signal los, oder du gehst es verstecken. In beiden Fällen muss dein Hund warten und sich beherrschen und darf nicht dem fliegenden Ball bzw. dir hinterherlaufen. Und er lernt, auf dich zu achten und mit dir zu kooperieren. Spaß und Auslastung in Teamarbeit.

Zugegeben - dies ist natürlich nicht so einfach wie einen Ball zu schmeißen, sondern erfordert einiges an Übung. Aber es macht Spaß und hat nur positive Effekte und null Nebenwirkungen.

Und es lässt sich wirklich ganz einfach und ohne Aufwand in den Alltag und auf den Spaziergängen integrieren.

Anbei habe ich drei kleine Videobeispiele, damit du einen Eindruck bekommst.

Wenn du einen Hund hast, der (noch) gar nicht apportieren kann bzw. sich für Bällchen o.ä. nicht interessiert, kannst du auch ganz simple Futtersuchspiele machen. Auch damit förderst Du Impulskontrolle, Zusammenarbeit und Gehorsam und kannst deinen Hund prima über die Nase auslasten. Wichtig ist, dass das Ganze ritualisiert abläuft (Startsignal, bestimmte Art von Leckerchen etc.), dann brauchst du keine Sorge haben, dass dein Hund vermehrt "irgendwas vom Boden frisst". Auf dem Video ist ein ganz einfaches Beispiel zu sehen (sonst wäre das Video zu lang geworden;-)).

In der Schwierigkeit lässt sich das natürlich fast endlos steigern. Man kann Hunden (anstatt sie das Leckerchen einfach fressen zu lassen) auch beibringen, es anzuzeigen und dann erst auf Signal hin zu fressen. Ich habe z.B. schon von Hunden gehört, denen beigebracht wurde, verschiedene Käsesorten zu unterscheiden. Dann kann man Gouda, Emmentaler und Appenzeller auslegen und den Hund mit "such Gouda" losschicken, und er wird den Appenzeller, der auch ausgelegt wurde, ignorieren. :-)

Auf dem 2. Video ist Coffee zu sehen. Hier habe ich ihn erst absitzen lassen, ein kleines Dummy geworfen, dann sind wir zusammen ein Stück Fuß gegangen, und schließlich durfte er das Dummy suchen und bringen (auch hier nur eine einfache Variante, weil sonst Video zu lang).

Und auf dem 3. Video ist nochmal Jara zu sehen. Hier hatte ich - während sie vor mir lief und es nicht bemerkte - den Futterdummy fallen lassen und sie erst ein Weilchen später zum Suchen losgeschickt. Das ist übrigens ganz praktisch, wenn man unterwegs wirklich mal etwas verliert. Auch hier gibt es verschiedene Varianten. Du kannst deinem Hund beibringen, auf Signal bestimmte Gegenstände zu suchen und zu finden. Zum Beispiel "such Schlüssel", "such Handy", "such Portemonnaie" o.ä. Oder aber (so mache ich persönlich es) - du bringst deinem Hund ein generelles Suchsignal bei, dann wird er alles bringen, was irgendwie nach dir riecht.

Alternativ zum Apportieren wiederum kannst du deinem Hund auch beibringen, die jeweiligen Gegenstände anzuzeigen (durch Hinlegen, Bellen o.ä.). So kann man Suchspiele ganz individuell auf den jeweiligen Hundetypus abstimmen. Du kannst damit übrigens jederzeit anfangen - egal ob dein Hund schon apportieren kann, egal ob er schon zuverlässig sitzen bleibt, während du dich entfernst etc. Mit Such- und Apportierspielen kannst du jederzeit angepasst an Alter und Trainingsstand anfangen und die verschiedenen Elemente nach und nach parallel zueinander erarbeiten.

Viel Spaß!

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